Interview mit Dr. Maria Furtwängler

Die Schauspielerin und Ärztin Dr. Maria Furtwängler wurde für ihr langjähriges Engagement für Mädchen und Frauen am 29. September 2017 mit dem Karl Kübel Preis 2017 ausgezeichnet. Was sie antreibt und was sie erreichen möchte, darüber sprachen wir mit der Preisträgerin.

Interview mit Dr. Maria Furtwängler (© Karl Kübel Stiftung/ Thomas Neu)

Sie haben heute den Karl Kübel Preis erhalten. Was verbinden Sie mit der Verleihung dieses renommierten Preises durch eine Stiftung, die bereits seit vielen Jahren in den Philippinen und in anderen Ländern, wie Indien, Nepal, Kosovo und Äthiopien tätig ist?
Die Karl Kübel Stiftung und die MaLisa Stiftung, die ich mit meiner Tochter Lisa gegründet habe, haben eine Schnittmenge in unseren Stiftungszielen. Wir setzen uns in Cagayan de Oro auf Mindanao einer Hochburg des Menschenhandels auf den Philippinen gegen Zwangsprostitution ein. Die KKS leistet Hilfe zur Selbsthilfe gegen Armut und für Selbstbestimmung. Gemeinsam werden wir nun unsere Anstrengungen verstärken, um Mädchen, Frauen und Jungs über Schlepperbanden, ihre Rechte und vor allem konkrete Möglichkeiten aufzuklären, wie sie diesen unwürdigen Situationen entkommen können. Mit dem MaLisa Home bieten wir schon seit 2011 einen Schutzraum an, wo Mädchen darin unterstützt werden, wieder in ein selbstbestimmtes, freies Leben zu finden.

Frau Furtwängler, Sie sind eine gefragte und viel beschäftige Schauspielerin. Man sieht Sie einerseits auf glamourösen Festen, aber andererseits auch mit dem Stethoskop am Ohr als Ärztin in den Elendsvierteln dieser Welt. Wie erklärt sich dieser Kontrast?
Das hat einerseits mit meinen Neigungen zu tun - als Ärztin, humanitär und als Schauspielerin zu arbeiten; aber auch mit der Natur des Menschen. Beides nutze ich für meine Ziele. Der Mensch ist fasziniert von allem Glamourösen und dem Einfluss, der damit einhergeht. Grundsätzlich ist er auch hilfsbereit. Als Schauspielerin erhalte ich mehr Aufmerksamkeit, als als Ärztin. Beides kann ich einsetzen. Viele engagierte Ärztinnen und Ärzte nutzen ihren Jahresurlaub oder auch Zeiten des Ruhestands, um dort zu helfen, wo es an medizinischer Basisversorgung fehlt. Dies können sie zum Beispiel unter dem Dach der Hilfsorganisation German Doctors tun, einer Nichtregierungsorganisation, die ich seit zwei Jahrzehnten unterstütze und deren Kuratoriumspräsidentin ich bin. Als Promi wandele ich die Aufmerksamkeit, die man mir schenkt, in Unterstützung für die Dinge um, die mir wichtig sind. Diese Aufmerksamkeit erhalte ich aber nur, wenn ich sichtbar bin, auf Roten Teppichen, als Schauspielerin und ganz generell in den Medien, etwa durch Interviews wie dieses. 

Der Karl Kübel Preis ehrt insbesondere Ihr Engagement auf den Philippinen, wo Sie, zusammen mit Ihrer Tochter, treibende Kraft des MaLisa Home-Projektes sind. Warum engagieren Sie sich gerade dort so stark und was ist das Besondere an diesem Projekt?
Lisa war nach dem Abitur in Südostasien unterwegs. Als sie auf den Philippinen war, wurde sie Zeugin davon, wie stark der Menschenhandel und die Zwangsprostitution dort ist. Wir reden hier von rund 400.000 Betroffenen. Etwa 100.000 davon sind Mädchen, aber auch Jungen. Das damit verbunden Elend, die Entwürdigung, die Zerstörung, die in einem Menschen damit angerichtet wird, hat sie schockiert. Schließlich waren die Betroffenen nur wenige Jahre jünger als sie. Ich habe sie zu der Zeit dort besucht, und wir haben beschlossen, etwas zu unternehmen. Auf den Händen sitzen hilft ja auch nichts.

Könnten Sie an einem Beispiel kurz schildern, wie die Mädchen in das MaLisa Home-Schutzhaus gelangen und wie ihnen dort geholfen wird?
Wir arbeiten sehr eng mit der lokalen Frauenselbsthilfegruppe TISAKA zusammen, die selber Aussteigerinnen aus der Prostitution sind. Abends und nachts leisten sie Streetwork- und Aufklärungsarbeit in den Rotlichtvierteln von Cagayan de Oro. Sie gehen Hinweisen auf Menschenhandel - und insbesondere Zwangsprostitution von Minderjährigen -, nach, welche sie durch ihr Netzwerk erhalten. Wenn sie Fälle von zwangsprostituierten Mädchen aufdecken, werden diese oft erst für einige Tage in einem drop-in shelter betreut und in Gesprächen die Bereitschaft der Mädchen zum Ausstieg aus der Prostitution eruiert – der Ausstieg ist oft für die Mädchen nicht leicht: manche haben Drogenprobleme, andere wollen den Familien weiter Geld schicken oder haben einfach die Hoffnung auf ein besseres Leben aufgegeben. Allen ausstiegsbereiten Mädchen wird ein Platz im MaLisa Home angeboten.

Im Malisa Home erfahren die Mädchen Geborgenheit und Gemeinschaft unter gleichen. Durch Therapie, die Möglichkeit den Schulabschluss zu machen, aber auch in Kursen wichtige Lebensfertigkeiten zu erwerben, erarbeiten sie sich im MaLisa Home eine bessere Zukunft. Denn die Mädchen die den schwierigen Ausstieg aus der Prostitution schaffen sind keineswegs Opfer, sie sind Überlebende und starke Frauen.

Was motiviert Sie, sich in Ihrer knapp bemessenen Freizeit weltweit gegen die Benachteiligung von Mädchen und Frauen zu engagieren?
Mich gegen die Benachteiligung von Mädchen und Frauen einzusetzen, mache ich nicht in meiner Freizeit, da tanke ich auf, reflektiere. Es ist ein weitverbreitetes Missverständnis, das Einsatz für Andere, Hilfe geben, sich engagieren in der Freizeit stattfindet. Für Menschen, die eine 40-Stunden-Woche haben, ist das in gewisser Weise so. Aber ich unterliege diesen Beschränkungen nicht. Mein Einsatz für die MaLisa-Stiftung, MaLisa Home oder German Doctors ist Teil dessen, was ich mache, was ich bin. Diese Dinge konkurrieren im Zeitbudget mit meiner anderen Arbeit wie etwa der Schauspielerei. Aber ja, es ist nicht leicht alles in 24 Stunden unterzubringen.

Sehen Sie sich als Vorbild für junge Frauen?
Das kann ich kaum. Das wäre vermessen, schließlich sind die individuellen Lebensumstände und Motivationen zu verschieden. Wenn ich aber durch mein Engagement Mädchen und Jungen dazu animieren kann, sich ebenfalls zu engagieren, würde mich das sehr glücklich machen.

Wie bekommen Sie Beruf, Familie und Ehrenamt unter einen Hut? Wie viele Tage im Jahr widmen Sie Ihren weltweiten Ehrenämtern und sozialen Projekten?
Wenn ich jetzt sage, ich bekomme alles unter einen Hut, glaubt mir das sowieso keiner. Wer bekommt schon alles unter einen Hut?! Sie? Für die Ehrenämter und die sozialen Projekte nehme ich mir die Zeit, die sie erfordert. Manchmal kommen sie zu kurz, wie auch andere Dinge zu kurz kommen. Aber es gibt hier keine Obergrenze. Humanitäre Hilfe hat keine Obergrenze. Hier zählt, zu tun, was man kann, auch wenn es einem manchmal selbst zu viel wird.

Wer sich so vielfältig engagiert, ist auf Unterstützung angewiesen. Wie geht Ihr privates und berufliches Umfeld damit um? Wer unterstützt Sie ganz besonders bei Ihrem Engagement?
Ich bin in der glücklichen Lage von allen Seiten Unterstützung zu erhalten. Ohne diese Unterstützung aus der Familie, von Freunden und all jenen, die mit mir in irgend einer Art und Weise am selben Strang ziehen, geht es überhaupt nicht, könnte ich nicht so viel reißen, allein schon deshalb, weil sie mir viel Organisatorisches und das meiste des nervigen Kleinkrams abnehmen. Dadurch, dass wir bei MaLisa Home und der MaLisa Stiftung gemeinsam in einem Boot sind, ist meine Tochter Lisa meine engste Verbündete.

Sie engagieren sich nicht nur persönlich, sondern gehen auch beim finanziellen Engagement mit gutem Beispiel voran. Auf jeden Euro an Spenden, der aus Anlass Ihres jüngsten Geburtstags eingegangen ist, haben Sie einen weiteren Euro draufgelegt. Sollten andere Künstler sich daran ein Beispiel nehmen?
Ob und wie man das macht, muss jeder Künstler, jeder Sportler, jeder Social Media-Star und jeder anderweitig Prominente mit sich selbst ausmachen. Es gibt verschiedene Wege ein Ziel zu erreichen. Mit Geld lässt sich einiges bewegen, daher hat man im humanitären Bereich auch immer zu wenig davon. Manchmal erreicht man aber auch eine ganze Menge, wenn man hinter den Kulissen seinen Einfluss geltend macht – und das steht dann nicht unbedingt in der Zeitung. Eine Spendenaktion wie zu meinem Geburtstag ist nur mit einer gewissen Prominenz möglich und ein guter Trick Aufmerksamkeit und Spendenbereitschaft zu erzeugen.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten: Welche wären es?
Dass sich aus dieser schönen Ehrung durch den Karl Kübel Preis eine langfristige Zusammenarbeit zum Wohle der Mädchen auf den Philippinen ergibt.

Dass es in Zukunft noch mehr Unternehmerinnen und Unternehmer wie Karl Kübel gibt, die sich so beispielhaft und großzügig dafür einsetzen, dass diese Welt ein kleines bisschen besser wird.

Dass all die Menschen die tagtäglich anderen Menschen vor Ort, zum Teil unentgeltlich helfen, gesehen werden und mehr Unterstützung bekommen.

Ansprechpartnerin

Nicole Bärenstrauch
Tel.: (06251) 700527
n.baerenstrauch@kkstiftung.de

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