Einmal weltwärts und zurück

Welche Erfahrungen haben junge Menschen gemacht, die mit dem weltwärts-Programm der Karl Kübel Stiftung unterwegs waren? Das wollten wir von zwei Teilnehmer_innen wissen.

Die 19-jährige Marilla Sophie Perry aus Hamburg absolvierte ihren weltwärts-Einsatz zusammen mit ihrer Teampartnerin Kathrin auf den Philippinen bei JPIC in Talisay City. In dem Umsiedlungsprojekt entsteht eine neue Gemeinschaft von Familien, die ursprünglich auf den Müllhalden des benachbarten Cebu City lebten.

Perry erzählt, wie sie auf unser Programm gekommen ist: "Ich wollte eine ganz andere Kultur kennenlernen und dabei nicht nur herumreisen, sondern auch eine feste Routine haben. Und meine Devise war: Je weiter weg, desto besser. Irgendwann habe ich mich auf Asien fokussiert und da bin ich im Internet auf die Karl Kübel Stiftung gestoßen.

Oscar Schmucker leistete seinen Freiwilligendienst zusammen mit seinem Teampartner Benedict in Indien. Der 20-jährige gebürtige Hildesheimer war im südindischen Prachodana in einem Kinderheim untergebracht. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) ist im Bereich Kinderrechtsarbeit tätig.

"Für mich war nach dem Abi klar, dass ich ins Ausland wollte", erzählt Oscar. "Dann hat mir eine Freundin von dem weltwärts-Programm erzählt. Das hat mich angesprochen, da ich politisch sehr interessiert bin. Bei der Stiftung habe ich mich beworben, weil ich ursprünglich auf die Philippinen wollte und die KKS dort Plätze anbietet. Außerdem hatte ich bei der Stiftung ein gutes Gefühl."

Wie warst du in deinem Projekt eingebunden und was waren deine Aufgaben?

Marilla: Ich konnte mir ziemlich frei aussuchen, was ich machen wollte. In der Siedlung habe ich als assistant teacher in der Vorschule mitgeholfen. Außerdem habe ich viel mit den Jugendlichen im Dorf zusammen gemacht und über Entwicklungszusammenarbeit und die lokale Arbeit der NGO gelernt. Und ich habe eine Bücherei mit aufgebaut. Die Hauptaufgabe bestand allerdings darin, in der Siedlung zu leben und den ganz normalen Dorfalltag kennenzulernen. 
Oscar: Da ich im Kinderheim gewohnt habe, lag bei uns der Schwerpunkt ganz klar auf der Arbeit mit den Kindern. Vor Ort habe ich gemerkt, dass das Projekt nicht ganz so gut zu mir gepasst hat. Ich habe im Freiwilligendienst sehr viel über mich selbst gelernt und meine eigenen Grenzen erfahren. Zum Beispiel brauche ich auch Arbeiten, bei denen es mehr ums Organisieren und Planen geht, das war in Prachodana nicht so gefragt. 

Wie hast du dich während deines Freiwilligendienstes betreut gefühlt?

Marilla: Mir hat das Zwischensemiar auf den Philippinen sehr gut gefallen, weil man sich dort noch mal mit den anderen weltwärts-Freiwilligen austauschen konnte. Ansonsten hatte ich dann auf den Philippinen nicht mehr so viel Austausch mit der KKS. Eine Art inoffizielle Betreuung haben für mich die Menschen vor Ort dargestellt, wie zum Beispiel meine Nachbarn und Freunde im Dorf. Dafür bin ich sehr dankbar.
Oscar: Ich habe mich sehr gut aufgehoben gefühlt. Bei Kirsten und Andrea merkte man immer, die sind wirklich daran interessiert, wie es uns geht. Und auch bei Malathi, die die Freiwilligen in Indien betreut, wusste man, wenn es irgendwo am Einsatzort ein ernsthaftes Problem gibt, zum Beispiel eine Erkrankung, ist sie spätestens nach 24 Stunden vor Ort. Ich habe mich durch die enge Betreuung in Indien sicher gefühlt.

Wer war in dieser Zeit die wichtigste Person für dich?

Marilla: Das kann ich gar nicht so an einer Person festmachen. Vielleicht Teacher Mitch, das ist eine Lehrerin im Dorf. Die konnte ich alles fragen, was ich nicht verstanden habe. Einige andere Freiwillige in der Region, mit denen ich meine Verwunderung teilen konnte, waren auch wichtig für mich. Aber auch meine Freunde aus Deutschland. Mit denen habe ich mich im Internetcafé ausgetauscht oder unter den Mangobäumen in unserem Dorf – dort hatte man den besten Empfang.
Oscar: Mein Teampartner Benedict, weil man alles zusammen macht - da lernt man den anderen sehr gut kennen. 

Was hast du für dich persönlich aus dem Einsatz mitgenommen?

Marilla: Die Erkenntnis, dass es bei allen Entscheidungen immer mindestens einen anderen Weg gibt und dass ganz viele Streitereien und Diskussionen deshalb einfach unsinnig sind.
Oscar: Ich habe viel über Indien erfahren und das Leben in Deutschland reflektiert. Außerdem habe ich sehr nette Menschen kennengelernt. Insbesondere die Offenheit der Kinder hat mich beeindruckt. Gleichzeitig habe ich mich viel mit Themen wie Kolonialismus und Rassismus auseinandergesetzt. 

Vor welchen Herausforderungen hast du im Alltag gestanden?

Marilla: Als Hamburgerin bin ich eine gewisse Anonymität in der Großstadt gewohnt, in Talisey fällst du aber als Europäerin überall auf und ich musste mich erst an das ständige Interesse und das Gerede der Menschen gewöhnen.
Oscar: An die Tatsache dass man immer zu zweit ist von morgens bis abends musste ich mich erst gewöhnen. Man teilt sich ja auch ein Zimmer und man kann nicht einfach rausgehen, denn da sind auch wieder gleich 50 Menschen. Da muss man sich schon sehr gut verstehen, zum Glück war das bei Benedict und mir der Fall. Mir hat auch gefehlt, dass es in unserer Region weniger soziales Leben außerhalb der Arbeit und der Familie gibt. Was ich in Deutschland so mache, um Leute zu treffen, mal zum Sport gehen oder einfach gemeinsam ein Bier trinken, das ist dort nicht so üblich.

Wie hat die sprachliche Verständigung geklappt?

Marilla: Die sprachliche Verständigung war nicht immer einfach. Aber man kann ja auch nicht erwarten, auf die Philippinen zu gehen und mit Englisch alles erreichen können. Es funktioniert schon vieles. Allerdings bin ich der Meinung, wenn man Bisaya lernt, wird man weiter kommen und die Mitarbeiter und Menschen vor Ort freuen sich auch. Ich konnte nur ein paar Wörter Bisaya, aber schon das hat mir sehr geholfen.
Oscar: Das hat eigentlich immer irgendwie funktioniert – gerade auch mit den Kindern, obwohl die ja oft kein einziges Wort Englisch sprechen.

Was hast du jetzt vor und was hat sich für dich durch den Einsatz geändert?

Marilla: Mir ist klar geworden, dass ich gerne weiterhin mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen arbeiten möchte. Deshalb habe ich vor, in Amsterdam Kulturanthropologie zu studieren. Und ich würde gerne weiterhin mit Kindern arbeiten, das vermisse ich hier sehr.
Oscar: Ich möchte gerne in Deutschland ein Bewusstsein für das Leben in Indien schaffen, weil ich das Bild, wie Indien hierzulande wahrgenommen wird, als sehr ungerecht empfinde. So wird über das Land oft nur im Zusammenhang mit Vergewaltigungen berichtet. Über die Umsetzung muss ich mir noch Gedanken machen. Ansonsten möchte ich gerne im Herbst studieren, entweder Politik oder Lehramt.

Was würdest du jemandem raten, der einen Freiwilligendienst machen möchte?

Marilla: Sei offen für alles, aber du musst nicht mit allem zufrieden sein. Ich glaube es ist wichtig, sich für das Neue und Andere zu interessieren, aber wenn du dich mal nicht 100-prozentig anpassen willst oder etwas nicht so läuft wie geplant dann ist das vollkommen ok. Und informiere dich vorher über die Organisation, da gibt es große Unterschiede.
Oscar: Locker bleiben. Auch wenn es nicht immer einfach ist, irgendwie kommt man schon durch. Ansonsten finde ich es schwierig, so generell etwas zu raten.

weltwärts mit der Karl Kübel Stiftung

Der Freiwilligendienst "weltwärts" des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ermöglicht jungen Menschen zwischen 18 und 28 Jahren den Aufenthalt in einer völlig anderen Kultur. Die Karl Kübel Stiftung gehört zu den weltwärts-Entsendeorganisationen. Sie bietet jährlich 20 Plätze in ihren Partnerprojekten in Indien und auf den Philippinen an. Die Freiwilligen werden immer in 2er-Teams entsendet. Seit 2016 absolvieren auch jedes Jahr vier junge Inder*innen einen Freiwilligendienst in Südhessen.

Ansprechpartner: 
Kirsten Sames
Tel.: (06251) 700576
E-Mail: k.sames(at)kkstiftung.de

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