In ihrem Bericht schildert Sandra Hinrichs, wie sie ihre Ankunft bei unserem philippinischen Projektpartner JPIC auf der Insel Mactan erlebt hat.
Ankommen in Janssenville
Die Philippinen sind ein Land voller Kontraste und Widersprüche, die einen teilweise sprachlos machen. Saß man eben noch mit 20 anderen Menschen eingequetscht im Jeepney (Kleinbus) und sah die vielen improvisierten Blechhütten und den Dreck an einem vorbei ziehen, steht man im nächsten Moment in einem glänzenden Einkaufszentrum voller Luxusläden, einer Schlittschuhbahn und Tausenden Restaurants, die das deutsche Angebot bei weitem übertreffen.
Nach der aufregenden Anfangszeit zieht bei mir und meiner Team-Partnerin Marit nun langsam der Alltag ein in Janssenville. Saint Arnold Janssen Village oder kurz "Janssenville" lautet der Name meines Einsatzortes auf der philippinischen Insel Mactan, in dem ich mich seit August bei der Organisation JPIC, Projektpartner der Karl Kübel Stiftung, engagiere und integriere. In diesem Umsiedlungsprojekt haben mehr als 1.400 Menschen, die zuvor in Elendsvierteln auf Müllhalden, in städtischen Slums oder verarmten Kleinbauerndörfern gelebt haben, ein neues Zuhause gefunden.
In den ersten Wochen besteht unsere Aufgabe erst einmal darin, dass wir die Menschen kennenlernen und uns in unserem neuen Leben einrichten. Hierbei hilft uns "Ate Tata". Sie hat offiziell die Aufgabe, unsere Ansprechpartnerin und Vertraute in Janssenville zu sein. Doch Ate Tata hat uns schnell verständlich gemacht, dass Gastmutter zu sein für sie noch viel, viel mehr bedeutet. Als ihre neuen Töchter auf Zeit hat sie uns stets im Auge, wartet morgens unterm Mangobaum darauf, dass wir unser Haus verlassen und möchte per SMS stets darüber informiert werden, wann wir wieder zurückkommen. Das ist einerseits ungewohnt, aber andererseits haben wir auch schnell gemerkt, dass dies ihre (z.T. kulturbedingte) Fürsorge widerspiegelt. Ich kann jetzt schon sagen, dass sie mir nach so kurzer Zeit sehr ans Herz gewachsen ist.
Morgens stehen wir meistens gegen 7.30 Uhr auf, frühstücken gemeinsam und schauen dann, was im Dorf so los ist und wo wir uns dazu gesellen können. Unser Alltag besteht also aus Spaziergängen durchs Village, Einladungen, ausgiebiger Kinder-Animation auf dem Spielplatz und regelmäßigen Gottesdienstbesuchen in der ortseigenen katholischen Kapelle. Wir lernen uns im öffentlichen Nahverkehr mit Jeepneys und Tricycles (Autorikschas) zurechtzufinden, lernen die Sprache Bisaya, die vielen kulturellen Unterschiede und kommen jeden Tag ein bisschen mehr an.
Umgeben von einer Schar aus mindestens 20 tobenden Kindern, für die wir nun „Ate Marit“ und „Ate Sandra“ sind, erkunden wir das Gelände und machen uns in der Nachbarschaft bekannt. Was sofort auffällt ist, dass die Kinder miteinander sehr respektvoll umgehen. Da nicht jeder unsere Hand halten kann, bilden sie eine lange Kette, laufen einfach mit und freuen sich, dabei zu sein. Es fällt relativ leicht, mit den Villagebewohnern ins Gespräch zu kommen, denn viele sprechen gutes Englisch. Durch die Gespräche lerne ich sehr viel über die philippinische Kultur, den Alltag und die Lebenseinstellung und Überzeugungen.
Mittlerweile kommt es auch immer öfter mal vor, dass wir in die Häuser gebeten werden und die ganze Familie auf einmal kennenlernen dürfen. Für mich sind diese Begegnungen bisher mit das Schönste im Alltag. Man wird sofort gedrückt. Körperkontakt scheint auch normal zu sein, egal wie lange man sich kennt. Die Menschen sind so offen und herzlich, das genieße ich sehr.
Wenn nachmittags dann die vielen Schulkinder nach Hause kommen, haben wir gar keine andere Möglichkeit, als für ordentlich Kinder-Animation zu sorgen. Die Kinder zerren uns quasi auf den Spielplatz und sollten wir mal in unserem Haus sitzen, hören wir laute Rufe: „Ate Sandra, Ate Marit, let´s play on the playground!“ Am Wochenende bereiten wir auch gerne mal eine kleine Bastelaktion vor, um die vielen Kinder zu beschäftigen. So wurden schon Spielbecher gebastelt und Armbänder geknüpft und unsere nächste große Aktion ist das Bemalen des Spielplatzhäuschens. Die größte Herausforderung ist das Koordinieren der vielen Kinder verschiedener Altersklassen.
Ein- bis zweimal in der Woche unterstützen wir die Lehrer in der Vorschule. Es wird gesungen, gebastelt und erste knifflige Aufgaben auf Englisch gelöst. Mir macht es sehr viel Spaß die Drei- bis Vierjährigen beim Lernen zu begleiten.
Als persönliches Fazit kann ich bisher sagen, dass ich mich gut eingelebt habe, mich sehr wohlfühle und auch das Heimweh erst einmal ausgeblieben ist. Von Anfang an sind mir die Kinder sehr ans Herz gewachsen. Herausfordernd ist es manchmal, auf die Leute zuzugehen, auch wenn man ständig das Gefühl hat, sie würden über einen reden, während man daneben sitzt. Das ist gerade bei den 14- bis 18-Jährigen oft der Fall. Aber auch daran gewöhnt man sich.
Ansonsten bin ich selbst überrascht, dass es mir nicht schwerfällt 24/7 mit ein- und derselben Person zu verbringen. Marit und ich waren bisher maximal 500 Meter voneinander entfernt und sobald wir mal allein durchs Dorf laufen, kommen von allen Seiten besorgte Blicke und die Frage: „Wo ist Marit?!“ oder „Habt ihr euch gestritten?“. Aber auch darauf wurden wir im Seminar vorbereitet, als Freiwillige wirst du nach außen hin manchmal zu einer Person.
Der weltwärts-Freiwilligendienst wird gefördert durch ENGAGEMENT GLOBAL und mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) umgesetzt.
In dem Projekt "Saint Arnold Janssen Village", Mactan /Lapulapu, auf den Philippinen entsteht und wächst mit Unterstützung unseres Projektpartners JPIC - IDC eine selbstverwaltete Gemeinde für Menschen, die zuvor auf Müllhalden oder in Slums gelebt haben. Zielsetzung der gemeinnützigen Organisation JPIC (Justice, Peace & Integrity of Creation - Integrated Development Center) ist die Förderung von benachteiligten Bevölkerungsgruppen