Wie aus einer fremden Welt eine zweite Heimat wird

Für Anna Blahaut ist Indien ein Land der Kontroversen. In ihrem Bericht schildert die ehemalige Freiwillige ihren Aufenthalt bei NMCT in einem Kinderheim im südindischen Coimbatore.

Freiwilligen-Einsatz im Kinderheim

Eindrücke vom Indien-Aufenthalt von Anna Blahaut. Alle Fotos: © Karl Kübel Stiftung / Anna Blahaut

Ein Bericht von Anna Blahaut
 

Die Entscheidung, acht Monate in einem völlig fremden Land zu verbringen, war ein großer Schritt für mich. Lange habe ich gegrübelt, ob es das Richtige für mich ist und ob ich dem Ganzem gewachsen bin. Schaue ich nun auf meine Zeit in Indien zurück, bin ich mit Dankbarkeit und tiefer Freude erfüllt und weiß, dass diese Entscheidung eine der besten überhaupt war.

Schon die Vorbereitungen mit den anderen Freiwilligen auf unseren entwicklungspolitischen Einsatz zeigte mir, wie vielschichtig andere Kulturen sein können. Ich habe viele Freunde dort gefunden, mit denen ich mich intensiv austauschen konnte. Als wir dann endlich losreisten, wurden wir oft überrascht. Indien ist ein Land der Kontroversen und der Vielfalt. Es ist oft zugleich wunderschön und erschreckend, belebend und erdrückend. Heute ist es für mich in erster Linie ein Land, in dem meine Freunde wohnen, in dem ich eine zweite Heimat gefunden habe.

Ich habe in einem Kinderheim leben dürfen, welches von der uns betreuenden Organisation NMCT aufgebaut worden war. Dort wohnte ich mit circa 23 Mädchen von 7 bis 18 Jahren, meiner Teampartnerin Milena und einer Betreuerin zusammen. Von Anfang an wurden wir unglaublich herzlich empfangen und aufgenommen. Wir waren schon bald Teil einer Gemeinschaft. So viel konnten wir von den Mädchen und den Mitarbeitern dort lernen. Sie zeigten uns Rezepte, lehrten uns ein wenig von ihrer Sprache, stellten uns ihre Freunde und Familie vor, nahmen uns mit zu Hochzeiten und anderen Feiern. Das Gefühl eines gemeinsamen Austausches stand immer im Vordergrund, wir lernten von- und übereinander.

Gleichzeitig hatten wir auch die Möglichkeit, in unserer NGO (Nicht- Regierungsorganisation) zu lernen, was es bedeutet, entwicklungspolitische Zusammenarbeit zwischen zwei Ländern zu gestalten und aufrecht zu erhalten. Wir arbeiteten an Projekten mit, konnten tiefe Einblicke in die Arbeit der Mitarbeiter gewinnen und begleiteten diese bei sogenannten "field visits". Dort erfuhren wir, welche Zielgruppen bei der Gesundheitsvorsorge im Fokus stehen (HIV- Betroffene, Frauen und Kinder, Migranten_innen, Menschen aus abgelegenen Regionen) und wie hier Entwicklung stattfindet.

Entwicklungszusammenarbeit ist im wahrsten Sinne des Wortes "Brücken bauen" zwischen verschiedenen Kulturen und Menschen, die einander ohne diese Verbindung vielleicht gar nicht erreichen könnten. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung. Meine Zeit in Indien half mir zu verstehen, dass die Menschen überall nach den gleichen Dingen streben: nach Freundschaft, Liebe und Glück, nach Zufriedenheit. Ich stieß bei meinem Einsatz auch an meine Grenzen, aber ich habe mich stets verbunden gefühlt zu dieser oft konfusen, vielfältigen, bunten Welt. Das Lernen über andere Menschen und Kulturen endet nicht, es gibt noch so viel zu entdecken.

Anna Blahaut bei NMCT in Indien

Anna Blahaut aus Celle nahm 2016/17 mit der Karl Kübel Stiftung am weltwärts-Freiwilligendienst teil. Zusammen mit ihrer Teamkollegin Milena verbrachte die Abiturientin acht Monate bei unserer Partnerorganisation NMCT im südindischen Coimbatore. Die NGO hat es sich zur Aufgabe gemacht, benachteiligte Familien in der Gesundheitsvorsorge zu unterstützen. Sie unterhält außerdem ein Kinderheim für Mädchen, deren Familien von AIDS betroffen sind.

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