Am Ende zählt, was man aus beiden Kulturen mitnimmt

Vor fünf Jahren verbrachte Jonas Dragendorf acht Monate als Freiwilliger in Indien. Bis heute prägt ihn dieser Aufenthalt und hat auch seine Berufswahl mitbestimmt.

Gemeinsam mit seinem Teampartner verbrachte Jonas acht Monate bei Prachodana in Indien und sammelte dort als Freiwilliger im Kinderheim wertvolle Lebenserfahrungen. © privat

Ein Bericht von Jonas Dragendorf

Schon 5 Jahre ist es her, seit ich mit meinem Teampartner Jan für acht Monate nach Indien reiste, um dort bei Prachodana einen Freiwilligendienst zu absolvieren. Prachodana ist ein Kinderheim in Hassan im südwestlichen Bundesstaat Karnataka. Noch heute denke ich häufig an die Zeit zurück und spüre die positiven Effekte auf mein momentanes Leben. Im Jahr 2022 habe ich Prachodana erneut besucht und plane bereits meine nächste Reise in das bunte Land.

Nach dem Abi wollte ich erst mal raus und weg von zuhause. Durch eine Freundin habe ich von weltwärts erfahren. Ursprünglich war ich auf der Suche nach einem eher handwerklichen Projekt, in dem ich beispielsweise bei der Feldarbeit mitwirke oder beim Aufbau von Schulen unterstütze. Letztendlich bin ich dann auf Prachodana aufmerksam geworden und bis heute bin ich sehr dankbar, dass ich mich für diese Organisation entschieden habe.

Durch die vertraute und intensive Betreuung seitens der Mitarbeiterinnen der Karl Kübel Stiftung und die zwei Seminare im Vorfeld, habe ich mich gut vorbereitet gefühlt. Außerdem war ich sehr dankbar, dass wir Freiwilligen dieses Abenteuer gemeinsam antraten und nach Ankunft in Indien erst mal lernten, wie man Geld abhebt, einkauft oder öffentliche Verkehrsmittel nutzt. Danach war es Zeit, dass die Freiwilligen an ihre jeweiligen Einsatzorte gingen.

Im Projekt angekommen wurden wir auch gleich von unseren Mentoren, den Kindern und der Familie des Direktors von Prachodana warmherzig begrüßt. Die Familie ist sehr entgegenkommend, verständnisvoll und hat immer versucht, Jan und mir viele Erfahrungen zu ermöglichen und uns in den wirklichen Alltag in Hassan mitgenommen.

Zwischen Kinderheim, Bollywood und einer mehrtägigen Hochzeit 
In Indien habe ich so viele neue Situationen erlebt und so viele Dinge zum ersten Mal gemacht, dass ich gar nicht alles aufzählen kann. Erwähnt seien aber auf jeden Fall das Erlernen einer indischen Sprache, Kinder und Erwachsene zu unterrichten, ohne Diagnose krank zu werden und dank ayurvedischer Medikamente wieder zu genesen, Kricket zu spielen oder die Planung und Durchführung einer Wasserolympiade für die Kinder des Kinderheims. Highlights waren auch der Besuch einer mehrtägigen Hochzeit, die Teilnahme an Gebetsritualen unterschiedlicher Religionen, mit dem Roller durch Goa zu fahren oder Bollywood-Filme im lokalen Kino anzusehen.

Natürlich sind auch Herausforderungen ein Teil eines solchen Freiwilligendienstes. Beispielsweise musste ich mich von dem, wie ich in Deutschland aufgewachsen bin, frei machen, um gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen von Prachodana auf Augenhöhe und lösungsorientiert arbeiten zu können. In der Weihnachtszeit und zu Silvester gab es Momente, in denen Jan und ich uns etwas einsam und von unseren Familien entfernt gefühlt haben. Aber am Ende haben es die Kinder und unsere Gastfamilie immer wieder geschafft, uns abzulenken und zu trösten. Rückblickend haben mich diese Situationen stärker gemacht.

Was bleibt nach einem Freiwilligendienst?
Seit meinem Freiwilligendienst in Indien mache ich mir viel mehr Gedanken darüber, was mir wirklich wichtig ist und wofür ich im Leben stehen will. Beispielsweise führten Jan und ich im Kinderheim die Kampagne „No Foodwaste“ ein, gestalteten Workshops zu Lebensmittelverschwendung und alle Kinder achteten gegenseitig darauf, kein Essen wegzuwerfen. Heute schätze ich Essen mehr wert. Über foodsharing und in meinem Freundeskreis trage ich diesen Gedanken weiter.

Insgesamt lernte ich, dass jedes Land und jede Kultur eigene Vorzüge hat. Sowohl in Deutschland als auch in Indien gibt es Dinge, mit denen ich weniger gut klarkomme, aber eben auch vieles, was ich besonders schätze. Am Ende zählt, welche Dinge, und seien sie noch so klitzeklein, man aus beiden Kulturen für das eigene Leben mitnimmt. Diese enorm prägende Zeit bestimmte schlussendlich meine Berufswahl. Bereits in Indien entschied ich mich Psychologie zu studieren. Momentan bin ich in meinem Master, werde ihn nächstes Jahr abschließen und dann die Weiterbildung zum Kinder- und Jugendpsychotherapeuten beginnen.

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