Frauen sollen ein selbstbestimmtes Leben führen können

Äthiopien ist im Umbruch: 50 Prozent der Ministerposten sind mit Frauen besetzt, aber im Alltag ist es noch ein langer Weg bis zur Gleichberechtigung.

Tigist Ayele unterstützt mit ihrer Organisation Frauen, damit sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen können. © Miraf

Tigist Ayele (50) ist Gründerin und Geschäftsführerin unserer Partnerorganisation Hulegeb Yeketema Limat Dirigit (Miraf) in Addis Abeba, Äthiopien. In unserem gemeinsamen Projekt fördern wir 400 Frauen, damit sie einen Beruf erlernen oder sich ein kleines Gewerbe aufbauen können. Im Interview erzählt Tigist Ayele, wie es um die Frauenrechte in ihrer Heimat steht und warum die Förderung von benachteiligten Frauen so wichtig ist.

Wie steht es um die Rechte der Frauen in Äthiopien?

Tigist Ayele: Die äthiopische Regierung hat Frauen in den Mittelpunkt des nationalen Entwicklungsplans gestellt. Um die Rechte der Frauen zu schützen, wurde die Hälfte der Ministerposten mit Frauen besetzt und in jeder lokalen Verwaltung gibt es eine Abteilung und einen Beauftragten für Frauenfragen. Das sind wichtige Schritte, damit Frauen ihre Rechte durchsetzen können. Denn nach wie vor erhalten viele Frauen einen sehr niedrigen Lohn und in ländlichen Regionen werden noch immer minderjährige Mädchen verheiratet. 

Sie haben Miraf 2004 mit dem Ziel gegründet, die Lebensbedingungen von Frauen zu verbessern. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Ayele: Ich habe früher bei einer internationalen Nichtregierungsorganisation Programme entwickelt, bei denen die Verbesserung der Lebenssituation von Frauen und Kindern im Mittelpunkt stand. So entstand der Wunsch, mich noch stärker für benachteiligte Frauen zu engagieren. Die meisten armen Frauen, die in Städten leben, haben keinen Zugang zu Informationen oder Krediten und sind von ihrem Ehemann abhängig. Ich möchte diesen Frauen Mut machen und sie dabei unterstützen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. 

Wie unterstützen Sie die Frauen in unserem gemeinsamen Projekt konkret?

Ayele: Wir wollen die Frauen durch Spar- und Kreditgenossenschaften wirtschaftlich stärken. Sie erhalten in unserem Projekt finanzielle Unterstützung, zum Beispiel Kleinkredite, um ein Gewerbe aufzubauen. Wir schulen sie auch in betriebswirtschaftlichen Themen, damit sie Businesspläne aufstellen können. Insgesamt erhalten 160 Frauen die Möglichkeit, eine Ausbildung zu absolvieren, zum Beispiel zur Friseurin oder Schneiderin. Andere lernen, wie man Seife herstellt oder worauf es bei der Geflügelzucht ankommt. Gesundheit und Ernährung spielen ebenfalls eine Rolle. Wir zeigen den Frauen, welches Gemüse sich für den eigenen kleinen Garten eignet, zum Beispiel Möhren und Kohl.

Warum ist diese Förderung so wichtig?                                       

Ayele: Indem wir Frauen fördern, unterstützen wir die ganze Familie, und zwar nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht. Wenn wir Frauen befähigen, sich für ihre Belange einzusetzen, wirkt sich das auch positiv auf ihre Kinder aus.

Die Corona-Pandemie ist eine Herausforderung für alle. Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf Frauen?

Ayele: Wir sehen, dass viele Frauen durch die harte Arbeit geschwächt sind und eine geringe Immunität haben. Werden Frauen krank, trifft es die Familie besonders hart.

Die Vereinten Nationen haben den Internationalen Frauentag am 8. März unter das Motto „Frauen in Führung: Eine gleichberechtigte Zukunft in einer COVID-19 Welt erreichen“ gestellt. Was muss getan werden, damit mehr Frauen in Äthiopien eine Führungsrolle übernehmen können?

Ayele: Um Frauen in Führungspositionen zu bringen, ist es notwendig, sie zu ermutigen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich auf hohem Niveau weiterzubilden. Sie müssen befähigt werden, hohe Positionen in allen Bereichen wie Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zu übernehmen, in denen sie Budgetverantwortung und Entscheidungsgewalt haben.

Welche strukturellen Veränderungen sind notwendig, um die Situation der Frauen in Äthiopien zu verbessern? 

Ayele: Die lokalen Verwaltungen müssen mehr Geld erhalten, um Frauen fördern zu können. Ziel muss sein, dass Frauen sich organisieren und sie einen qualifizierten Job ausüben können. Auch Anlaufstellen, die intervenieren, wenn Männer ihre Ehefrauen unterdrücken, sind wichtig.

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